In diesem Jahr wurde ich Jury-Mitglied des GEP-Illustrationspreises und trat damit die Nachfolge von Joachim Schmidt für den Bundesverband evangelischer Ausbildungsstätten an. Es war für mich das erste Mal, und ich war gespannt, was mich erwarten würde.

Es bewarben sich 88 Verlage mit 222 Büchern. Vom Winter bis zum späten Frühling trudelten bei jedem der sieben Jury-Mitglieder zwölf große Bücherkisten mit Bilderbüchern ein, die gelesen, betrachtet, verstanden und gewürdigt werden wollten. Gekürt werden sollen Bilderbücher, deren Illustrationen künstlerisch und inhaltlich hervorragend sind. Sie sollen

  • von persönlicher Ausdruckskraft sein und die Fantasie anregen,
  • innere Bilder wachrufen und weiterentwickeln,
  • den Text mit bildnerischen Mitteln sinnfällig deuten,
  • Gegenwärtiges, Vergangenes oder Fremdes im Bild lebendig werden lassen,
  • ein christliches Weltverständnis im Sinne von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung anschaulich unterstützen.

Jedes Jury-Mitglied hatte eine persönliche Auswahl an zehn preiswürdigen Büchern zu treffen. Die Büchersichtung gestaltete jeder unterschiedlich. Ich nutzte Netz und Kontakte unseres Berufskollegs, lud Kinder, Eltern der Kinder, Kolleginnen und Interessierte zu Treffen in verschiedenen Formaten ein. Wir lasen (vor), betrachteten, diskutierten, bewerteten und bestaunten vor allem die Vielfalt der Bilderbücher.

Im Juni traf sich die Jury im GEP-Verlagshaus in Frankfurt, um die jeweiligen persönlichen Favoriten vorzustellen. Wir besprachen jedes einzelne Buch mit dem Ziel einer gemeinsamen 10er-Liste, die als Empfehlung mit Rezensionen in einer Broschüre zum Illustrationspreis erscheinen sollte. Dies gestaltete sich teilweise gar nicht so einfach, weil jedem Jury-Mitglied aus einem anderen Blickwinkel heraus seine Auswahl zwischenzeitlich ans Herz gewachsen war. Mir persönlich eröffnete die Diskussion der einzelnen Bilderbücher den Blick für neue Aspekte und Deutungen, ebenso wie für die Vielfalt von Perspektiven auf und Beurteilungen der Bilderbücher. Nach einem Tag hatten wir unsere gemeinsamen zehn Favoriten gefunden.

Am nächsten Tag wählten wir unseren Preisträger. Auch dies stellte natürlich eine besondere Herausforderung dar. Am Ende setzte sich als klarer Favorit Stian Hole mit „Morkels Alphabet“ durch. Die Begründung der Jury, von Thomas Linden verfasst, lautete wie folgt:

Stian Hole, Morkels Alphabet Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger © 2016 Carl Hanser Verlag München
Stian Hole, Morkels Alphabet Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger © 2016 Carl Hanser Verlag München

„Mit Stian Hole wurde einer der bedeutendsten Illustratoren unserer Gegenwart ausgezeichnet. In seinem neuen Werk „Morkels Alphabet“ erzählt er von zwei Teenagern, die gemeinsam das Geheimnis der Sprache entdecken. Wobei die Sprache für sie nicht allein aus dem System der Zeichen besteht, sondern auch den Klang und den Geschmack der Worte bezeichnet. So finden sie Zugang zur winterlichen Natur und den Gefühlswelten des anderen. Dem Norweger gelingt, was nur wenige Illustratoren vermögen, er formuliert uns in seinen Bildern etwas vom Unsagbaren der Liebe.

Bild für Bild baut er eine Spannung auf, die über die letzte Seite seines Buches hinaus anhält. Im Zeitalter der digitalen Kommunikation zeigt uns Hole die Segnungen der Stille und Konzentration, die unseren Blick für die Welt schärfen und in uns die Fähigkeit zum Zuhören nähren. Mit seinen ebenso effektvollen wie anspielungsreichen Collagen entfaltet der 47-Jährige ein virtuoses Spiel von Nähe und Distanz, das der Geschichte von Anna und Morkel eine universelle Dimension verleiht. Als perfekt gestaltetes Bilderbuch präsentiert sich „Morkels Alphabet“ durch seinen respektvollen Umgang mit Bild und Textpassagen, die in einem eleganten Layout und in einer dezenten Typographie ihren Ausdruck findet.“

Im Anschluss planten wir die Veranstaltung und das Rahmenprogramm mit. Hierbei zeigte sich das große Engagement und die gute Vernetzung in die Frankfurter Kultur-Szene der Organisatorinnen des Preises, der Frankfurter Pressefrauen Pfiff, Elisabeth Ehrhorn und Carmen Sorgler. Als Laudator konnte Andreas Platthaus gewonnen werden, Leiter des Ressorts Literatur und Literarisches Leben in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Eine Leipziger Jugendpfarrerin entwarf einen Literaturgottesdienst zu „Morkels Alphabet“ und entwickelte Anregungen für die Arbeit mit Jugendgruppen im Konfirmandenunterricht: http://gep.evangelisch.de/preise/illustrationspreis.

Einen Tag vor der Preisverleihung am 9. September 2016 trafen sich die Jury, die Frankfurter Pressefrauen, Stian Hole, die Übersetzerin Ina Kronenberger sowie Andreas Platthaus. Endlich hatte ich Gelegenheit, unseren Preisträger persönlich kennenzulernen und mich mit ihm über sein Buch sowie sein weiteres Werk auszutauschen.

Auf der Preisverleihung schließlich stellte ein Jury-Mitglied unsere Arbeit vor und Stian Hole wurde mit seinem Bilderbuch „Morkels Alphabet“ gewürdigt. Die frisch erschienene Broschüre mit der Empfehlungsliste der Jury wurde Interessierten überreicht.

Heike Dunker