„Du wirst überleben, und du wirst erzählen.“

Am 7. Mai 2018 herrschte in der Aula der Ev. Fachschulen  Osnabrück ungewohnte Stille, obwohl mehr als 160 Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und weitere interessierte BesucherInnen anwesend waren. Der Grund für diese Ruhe war die 94-jährige Erna de Vries aus Lathen, die über ihre Erinnerungen an die Zeit des Holocaust sprach.

Frau de Vries wurde 1923 geboren, ihr Vater war protestantisch und ihre Mutter jüdisch, und damit war sie laut der Nürnberger Gesetze der Nationalsozialisten „Mischling ersten Grades“. Nach dem frühen Tod ihres Vaters lebten Erna de Vries und ihre Mutter in Kaiserslautern, wo sie den zunehmenden Repressalien der Nazis unterworfen waren. So erlebten sie unter anderem die furchtbare Zerstörung ihrer Wohnung in der Reichspogromnacht und die anschließende vollständige Entrechtung der Menschen jüdischen Glaubens.

Als ihre Mutter 1943 den Deportationsbefehl nach Auschwitz bekam, entschied sich die Tochter, freiwillig mitzugehen, weil sie ohne ihre Mutter nicht in Kaiserslautern bleiben wollte.

Sehr eindringlich schilderte sie den langen Transport nach Auschwitz, die Ankunft an der Rampe, die entwürdigenden Arbeits- und Lebensbedingungen und die schreckliche Angst, die alle Häftlinge jeden Tag haben mussten, denn in Auschwitz wurde sowohl nach Plan als auch willkürlich gemordet.

Als „Mischling ersten Grades“ wurde Frau de Vries  später von Auschwitz in das KZ Ravensbrück verlegt, wo sie für die Rüstungsindustrie bei Siemens arbeiten musste. Im Frühjahr 1945 schließlich wurden die inhaftierten Frauen gezwungen, sich auf einen der sogenannten „Todesmärsche“ zu begeben. Dort hat sie die Befreiung durch die Amerikaner erlebt.

Seit mehr als 20 Jahren hat Erna de Vries es sich als Aufgabe gesetzt, den Auftrag ihrer Mutter: „Du wirst erzählen!“ umzusetzen. So ist sie unter anderem in zahlreichen Schulen unterwegs, um ihre Lebensgeschichte der Jahre 1933 bis 1945 zu schildern und um mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen ins Gespräch zu kommen.

Fazit der Veranstaltung in den EFS: In Zeiten von zunehmendem Nationalismus, Rassismus, Rechtspopulismus und Antisemitismus sind Zeitzeugenbesuche wie dieser ein sehr wichtiges Projekt, denn wer will, kann aus der Geschichte sehr viel für die Gegenwart lernen. Dankbar und mit sehr großer Hochachtung und Anerkennung zollten die Zuhörer einen lang anhaltenden abschließenden Beifall für Frau de Vries.

Friederike Niederdalhoff