Fünf Reutlinger Erzieherinnen absolvieren ihr Berufspraktikum zurzeit in Cuenca in Ecuador. Dozent Martin Mohr war zum Praxisbesuch vor Ort und berichtet von den Erfahrungen.

Auf eine enge Theorie-Praxis-Verzahnung in der Erzieherausbildung legt die Evangelische Fachschule für Sozialpädagogik an der Kreuzeiche großen Wert. Für die Betreuung im Berufspraktikum hat Dozent Martin Mohr kürzlich mehr als 10.000 Kilometer zurückgelegt: Er reiste nach Cuenca in Ecuador, um fünf angehende Erzieherinnen während ihres Praxiseinsatzes zu begleiten. Seit acht Jahren kooperiert die Evangelische Fachschule mit der deutschen Schule in Cuenca, einer ecuadorianischen Stadt hoch in den Anden Lateinamerikas. Das Interesse an einem Praktikum im Ausland ist groß. Aus dem aktuellen Kurs waren Victoria, Sophia, Isabel, Madita und Sina erfolgreich mit ihrer Bewerbung. Seit letzten September arbeiten sie im Kindergarten der deutschen Schule in Cuenca. Alle anderen aus ihrer Klasse haben eine Praktikumsstelle im Umkreis von 50 Kilometer um Reutlingen. „Die Schülerinnen müssen ja einige Prüfungsaufgaben und schriftlichen Arbeiten erledigen“, so Mohr, „das versuchen wir über E-Mail und Skype zu begleiten. Da die fünf Praktikantinnen nicht an den regulären Studientagen teilnehmen können, haben wir das in Kompaktform durchgeführt, während ich in Ecuador war.“

Auch die von der Prüfungsordnung vorgesehenen Praxisbesuche hat der Dozent dort im Block umgesetzt. Jede Schülerin musste eine Aktivität für den Morgenkreis planen, vorbereiten, durchführen und anschließend mit ihrem Lehrer und der dortigen Anleiterin reflektieren. „Ich war daher jeden Vormittag im Kindergarten und habe die pädagogische Arbeit vor Ort kennen gelernt und die Auszubildenden beobachtet“, erzählt Mohr, „anschließend haben wir uns zusammengesetzt, Erfahrungen ausgewertet und offene Fragen besprochen. Die fünf Praktikantinnen aus Reutlingen machen das ganz hervorragend, trotz der vielen Hürden durch die spanische Fremdsprache.“ Im dortigen Kindergarten gehört es zur Konzeption, dass grundsätzlich pädagogische Fachkräfte aus Ecuador und aus Deutschland zusammenarbeiten. Jede Kindergartengruppe hat eine deutschsprachige Erzieherin. Denn für die sprachliche Förderung der Kinder wurde die sogenannte Immersionsmethode eingeführt, das heißt die zu lernende Sprache wird in der Kita konsequent neben der Erstsprache als Alltagssprache verwendet. „Die jeweilige Fachkraft spricht also das Kind ausschließlich in ihrer Muttersprache an und ermutigt das Kind, in dieser Sprache zu antworten“, erläutert Mohr, „damit wird das Grundprinzip „eine Person – eine Sprache“ erfüllt und es kommt zu keinen Sprachvermischungen.“

Spannend ist das Beobachten von Unterschieden in der frühkindlichen Bildung zwischen den Ländern. „Der Morgenkreis läuft dort sehr ähnlich ab wie in unseren Kitas. Der Tag wird in die Jahreszeit eingeordnet, das Wetter wird kommentiert, im März wird ein Frühlingslied gesungen und so weiter. In Cuenca allerdings wird mehr Wert auf die Verschriftlichung gelegt, so wird zum Beispiel das Datum von Kindern an die Tafel geschrieben. Auch fällt auf, dass die Erzieherinnen mit „Profesora“ angesprochen werden, also dieselbe Anrede wie bei Lehrerinnen. Das zeigt das hohe Prestige, das pädagogischen Fachkräfte dort haben. Davon könnten wir uns in Deutschland eine Scheibe abschneiden“, meint Dozent Martin Mohr.

Die Erfahrungen aus dem Praxisbesuch spielen auch im Unterricht an der Kreuzeiche eine Rolle. „Die interkulturelle Pädagogik gehört sowieso zum Lehrplan“, so Mohr, „durch den direkten Austausch mit Ecuador werden diese Themen konkret. Es hat mich zum Beispiel total begeistert, als die Praktikantinnen erzählten, dass sie auf dem Wochenmarkt jedes Mal ganz bewusst eine neue Frucht kaufen, sich erklären lassen, wie man sie öffnet und isst und dies dann gleich ausprobieren. Diese Offenheit und Neugierde auf Ungewohntes thematisieren wir in der Ausbildung. Toll, wenn das dann wirklich gelebt wird, auch im Umgang mit der fremden Kultur im Kindergarten, in der Begegnung mit den Kolleginnen und den Familien vor Ort.“

Dozent Martin Mohr war zum ersten Mal in Ecuador und hat an die Dienstreise noch zwei Wochen Urlaub angehängt. „Was mich an diesem Land sehr fasziniert hat, ist die unglaubliche Vielfalt: sowohl klimatisch – wir hatten Schnee und Hochsommer – als auch geographisch – wir erlebten Regenwald, Hochgebirge und Sandstrand am Meer – als auch die Bevölkerung: auf der Straße sind Banker im Business-Anzug genauso unterwegs wie indigene Menschen in traditioneller Tracht, alle gehören dazu und sind unserem Eindruck nach gleichermaßen akzeptiert.“

„Das Berufspraktikum in Ecuador ist ein attraktives Angebot, das wir als Fachschule unseren Schülerinnen und Schülern ermöglichen“, sagt Schulleiterin Gabriele Beier, „sowohl wir als Fachschule als auch die angehenden Erzieherinnen profitieren vom interkulturellen Austausch zur Sicht auf Kindheit, kindlichem Spiel und Bildungsmöglichkeiten. Diese Kooperation werden wir weiterführen und vertiefen.“


Selfie vor dem Logo des deutschen Kindergartens in Cuenca/Ecuador: die angehenden Erzieherinnen Victoria, Sophia, Isabel, Madita und Sina mit ihrem betreuenden Lehrer Martin Mohr von der Evangelischen Fachschule Reutlingen.


Im Außenbereich des deutschen Kindergartens in Cuenca/Ecuador treffen sich die Kinder in ihren Gruppen zum Abschlusskreis vor den Osterfeiertagen.

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