Holocaust-Überlebender „Hitlerjunge Salomon“ besuchte Osnabrücker Schule mehrfach. Bewegende Begegnungen. Perel in Israel gestorben.

Osnabrück, 11. Februar 2023.  Die Evangelischen Fachschulen Osnabrück (EFS) gedenken Sally Perel. Der Shoah-Zeitzeuge war vergangene Woche in seiner Heimat Israel gestorben. Er besuchte die Fachschulen in der Vergangenheit des Öfteren. Im Rahmen einer Gedenkandacht, organisiert von Pädagoge Dietmar König und weiteren jetzigen und früheren Lehrkräften der Schule wurde seiner unermüdlichen Arbeit gegen das Vergessen und für Toleranz gedacht.

Dietmar König berichtet: „Sally Perel war mehrfach in unserer Schule, so wie an vielen, vielen anderen Schulen, um als Zeitzeuge aus seinem Leben zu erzählen. Er berichtete uns, wie er in der Nazidiktatur, um als Jude zu überleben, in seiner Todesnot zum Hitlerjungen Josef wurde. Wenn Sally erzählte, war es immer mucksmäuschen still. Die etwa 250 SchülerInnen und Lehrkräfte der EFS, die etwa 2011 und 2015 zugehört haben, waren von seinen Schilderungen bewegt und in den Bann gezogen. Über seine Erlebnisse hatte er das Buch: „Hitlerjunge Salomon“ geschrieben. Viele von uns haben das Buch gekauft und von Sally signieren lassen. Wir mussten lange dafür anstehen, so groß war die Warteschlange.“

Perels Buch wurde 1990 unter dem Titel „Hitlerjunge Salomon“ verfilmt. Mit seinen Vorträgen wollte Sally Perel bei der Jugend ein kritisches Bewusstsein schaffen, gegenüber einer erneuten „braunen Gefahr“, die den Holocaust leugnet. „Ich habe mir geschworen, für die Wahrheit zu kämpfen, als ich die Kinderschuhe in Auschwitz sah“, sagte er zu uns. 

Von einer Schülerin wurde er gefragt, ob es stimmen könne, dass so viele von der Ermordung der Juden nichts gewusst hätten? Perel antwortete: „Ich glaube, dass alle es wussten! Das ,Ich habe nichts gesehen, kann ich nicht akzeptieren.‘ Sally wollte aber keine Schuldgefühle wecken. Er sagte: „Ich will mit Wahrheit den Verstand erleuchten: ein erster Schritt zu einer besseren Welt, die ich euch wünsche und gönne.“

Lehrerin Verena Jannaber fügt hinzu: „Ich hatte das große Glück, Sally Perel hier an den EFS zu erleben. Wir alle wollten seine Geschichte hören. Nein, anders: Wir mussten seine Geschichte hören. Und wir alle müssen sie weiterhin hören: Wir leben in Zeiten, in denen ein bekannter Politiker den Nationalsozialismus nur einen „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ nennt. Wir leben in Zeiten, in denen Kinder von ihren Eltern instrumentalisiert werden, sich auf eine Bühne zu stellen und sich mit Anne Frank zu vergleichen, weil sie im Lockdown den Kindergeburtstag nicht feiern konnten. Wir leben in Zeiten, in denen zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus eine Partei mit 2/3 ihrer Abgeordneten nicht an der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag teilnimmt. Wir müssen Sallys Geschichte nicht nur weiterhin hören, sondern wir müssen sie vor allem weiterhin erzählen. Das sind wir Sally schuldig. Und uns auch.“

Die ehemalige EFS-Lehrerin Gertrud Meinzer ergänzt: „Sally Perel war ein unermüdlicher Mahner, dem es ein Anliegen war, bei jungen Menschen ein kritisches Bewusstsein anzuregen und zu stärken gegen politische Verführung und für Respekt und Toleranz.  Er war eine beeindruckende Persönlichkeit.“ 

Zudem gedachten die EFS in der Andacht weiteren Opfern des Terrors zur NS-Zeit. Die Schule unterstützt die Aktion Stolpersteine, ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Stolpersteine sind Gedenktafeln aus Messing und erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus. Sie werden in den Gehwegen vor den letzten selbst gewählten Wohnorten der Jüdinnen und Juden, Sinti, Roma, Deserteure, Menschen, die aus politischen oder religiösen Gründen, wegen ihrer sexuellen Orientierung, einer Erkrankung oder Behinderung ermordet wurden, verlegt. Die EFS haben 2012 die Patenschaft für den Stolperstein von Simon-Siegbert Schoeps übernommen. Pädagogin Andrea Manteuffel erinnerte an die Geschichte der Familie Schoeps, ehemals wohnhaft Am Kamp 62a in Osnabrück.

Über Sally Perel

Salomon, genannt „Sally“, Perel wurde in Peine geboren. Nachdem ihr Schuhgeschäft von den Nazis verwüstet wurde, zog die Familie Perel 1938 ins polnische Lodz. Während des Zweiten Weltkriegs fiel er 1941 auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion deutschen Truppen in die Hände. Der Erschießung entging Sally nur, weil er perfekt deutsch sprach und sich als Volksdeutscher ausgeben konnte. So gelang es ihm, seine jüdische Herkunft zu verschleiern. Seine wirkliche Identität wurde von einem Kameraden an der Front aufgedeckt, der als Homosexueller Interesse an Sally Perel hatte. Als er erkannte, dass Perel Jude war, versicherte er ihm, ihn nicht zu verraten. Diese Freundschaft half Perel zu überleben. Nach zwei Jahren an der Front wurde er zurückversetzt und kam in eine Schule der Hitlerjugend. Außer Sally Perel und seinen Brüdern Isaak und David überlebte kein Mitglied der Familie den Holocaust. Nach dem Krieg verließ Perel Deutschland. Viele Jahrzehnte lebte er in Israel, ehe er sich entschloss, das Erlebte niederzuschreiben. Seine Geschichte erschien unter dem Titel „Ich war Hitlerjunge Salomon“ 1992 erstmals auf Deutsch. Das Buch wurde 1990 unter dem Titel „Hitlerjunge Salomon“ verfilmt. Seitdem hat Sally viele Schulen besucht und Generationen von Schüler*innen von den Gräueltaten der Nationalsozialisten erzählt und wie er der Ermordung entkommen konnte. 1999 erhielt er für seine Bemühungen um die deutsch-israelische Verständigung das Bundesverdienstkreuz.

Über die Evangelischen Fachschulen Osnabrück (EFS-OS)

Die Evangelischen Fachschulen Osnabrück (EFS-OS) sind eine der modernsten staatlich anerkannten Fachschulen für Sozialberufe, in denen lebendiges Lernen praktiziert wird. Als Ausbildungsstätte in evangelischer Trägerschaft werden neben fachlichen Ausbildungsinhalten Grundlagen christlichen Glaubens und Handelns vermittelt. In ihrer langjährigen Geschichte haben die EFS-OS die sich häufig verändernden Anforderungen an Erzieherinnen und Erzieher fortwährend in ein modernes Ausbildungsprofil umgesetzt. Die staatlich anerkannten Ausbildungen entsprechen der „Verordnung über Berufsbildende Schulen“ im Land Niedersachsen. Es werden Ausbildungsgänge in den folgenden Schulformen angeboten: Berufsfachschule Sozialassistenz, Fachschule Sozialpädagogik sowie Fachschule Heilpädagogik. Zudem bieten die EFS-OS Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu aktuellen berufsbezogenen Themen.

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